Herbsttagung vom 23. bis 25. September mit dichten Informationen und intensivem Gedankenaustausch

 

Kurz vor einer knirschenden Panne standen die Organisatorin und die Organisatoren der 5. Herbsttagung von AWC Deutschland e.V. genau drei Tage vor der Auftaktveranstaltung. Dr. Wolfgang Hetzer aus Brüssel musste im letzten Augenblick seine Teilnahme aus persönlichen Gründen absagen, hat aber zugesagt, zu einem späteren Zeitpunkt bei einer Veranstaltung von AWC mitzuwirken. Als Retter der Tagung erwies sich Erich Schmidt- Eenboom, Publizist und Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik e.V. in Weilheim in Oberbayern, der seine Termine umkrempeln und nach Überlingen kommen konnte.

Zum Freitagabend:
„Gefährden Geheimdienste Frieden und Demokratie?“

Der Referent Erich Schmidt-Eenboom ist einer der bedeutendsten Geheimdienstexperten für die Bereiche Europa, Nordamerika und den Mittleren Osten und hat zahlreiche Bücher und andere Veröffentlichungen zum Komplex Geheimdienste geschrieben. Sein Vortrag, eher kühl und verhalten vorgetragen, entwickelte sich zunehmend zum „Blick in den Abgrund“, wie einer der etwa vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung in der Diskussion entsetzt feststellte.


Erich Schmidt-Eenboom                                       Bild: awc_ks
Schmidt-Eenboom streifte die wichtigsten Elemente der Welt der Geheimdienste. Er ging auf die Geschichte der deutschen „Dienste“ ein, er skizzierte deren Methoden, er fragte nach der politischen Verantwortung. Der Vortrag bestach nicht nur durch die Kompetenz des Redners, sondern auch dadurch, dass dieser seine Aussagen durchgehend mit wissenschaftlicher Akribie belegte und alle Spekulationen vermied oder zurückwies.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer entwickelten zunehmend eine kollektive Empfindung des Entsetzens und der Ohnmacht angesichts des Gehörten. Und viele empfanden es als einen wahrlich absurder Trost, vom Referenten zu hören, die deutschen Geheimdienste in der BRD wie in der DDR zeichneten sich dadurch aus, dass sie nicht in politische Morde involviert waren.

Zum Samstagvormittag:
"Die geheimen Soldaten. Am Parlament vorbei: Das Kommando Spezialkräfte."

Auch Jürgen Rose, als Oberstleutnant a.D. ein intimer Kenner der militärischen Szene, führte seine Zuhörerinnen und Zuhörer in eine Erfahrung des Staunens und der Beklemmung.

Jürgen Rose                                                               Bild: awc_ks
Sein klarer, reich illustrierter Vortrag bestach - ähnlich wie am Abend zuvor bei Erich Schmidt-Eenboom - dadurch, dass er zeigte, was in den Grauzonen unserer Gesellschaft mittlerweile „normal“ und selbstverständlich ist. Ein Beispiel von vielen: Auch bei der elitären Subkultur, die Rose als Selbstverständnis des Kommandos Spezialkräfte (KSK) konstatiert, führte er öffentlich zugängliche Zitate an. Er belegte dabei, dass ein ehemaliger Kommandeur des KSK sich so geäußert hat: „Ich erwarte von meiner Truppe Disziplin wie bei der Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS.“
Und es scheint auch eine öffentlich hingenommene Selbstverständlichkeit zu sein, dass das KSK von einem „Schweigekartell“ umgeben ist, das selbst einzelne, engagiert dagegen ankämpfende Parlamentarierinnen und Parlamentarier bisher nicht beseitigen konnten. Das Referat Jürgen Roses lehnte sich an ein Kapitel aus seinem Buch an, das uns der Verlag Ossietzky freundlicherweise zur Online-Nutzung überlassen hat.
> Jürgen Rose: Deutschlands Schattenkrieger

Zum Samstagnachmittag:
"Die Illusion der Sicherheit. Workshop in Gedanken an Douglas Mattern."

Ingrid Schittich begründete die Widmung des Nachmittags und sprach über die Arbeit und das praktische Vermächtnis des kürzlich verstorbenen Präsidenten des Dachverbandes der Association of World Citizens (AWC), Douglas Mattern (vgl. Nachricht vom 20.08. auf dieser Website).

An dem Workshop, in dessen Zentrum die Impulsreferate von Florian Pfaff und Dr. Klaus Borchers-Ziobro standen, beteiligten sich die Zuhörerinnen und Zuhörer mit engagierten, z.T. kontroversen Beiträgen. Der Begriff der Sicherheit wurde dabei als brüchig und trügerisch entlarvt. Florian Pfaff widmete sich dem blinden Vertrauen, das eine technisch orientierte Gesellschaft z.B. in das Verschlüsselungsverfahren RSA setzt, das in der digitalen Welt allgegenwärtig ist. Er gab durch einen Exkurs in die Mathematik zu bedenken, ob dieses Vertrauen möglicherweise unbegründet ist.
>Florian Pfaff: RSA - Ein Beispiel für die Verantwortung der   Wissenschaft
Dr. Borchers-Ziobro bereicherte die Diskussion um Aspekte der Religion und der Philosophie. Er stellte heraus, dass beide allenfalls „Gewissheit“ vermitteln und weder Religion noch Philosophie Sicherheit gewähren können. Berührend war, dass Br. Borchers-Ziobro, ev. Pfarrer im Ruhestand, sein Publikum daran teilhaben ließ, dass er sich selbst als letztlich „unsicheren“ und zweifelnden Menschen versteht.
 
Zum Sonntagvormittag:
"Die Klimakatastrophe kommt nicht. Sie ist da. Vom Umgang mit einer ungeliebten und verdrängten Wahrheit."

Dr. Till Bastian, Arzt und Psychotherapeut, ist seit vielen Jahren auch in der ökologischen Bewegung engagiert. In seinem Referat stellte er überzeugend dar, dass die Symptome der schon eingetretenen Klimakatastrophe auch hier bei uns ablesbar sind.

Dr. Till Bastian, Ingrid Schittich                                    Bild: awc_ks
Mit der Klimakatastrophe, und da griff Dr. Bastian die Befürchtungen des südafrikanischen Bischofs und Friedensnobelpreisträgers Desmond Tutu auf, drohe eine weltweite ökologische Apartheid. Dieser Bedrohung setzt Till Bastian die Entwicklung eines ökologisch orientierten Weltbürgerrechts entgegen, dessen Entwicklung er vehement einfordert. 
Aus diesem sehr nachdenklichen Sonntagmorgen haben sicher alle Besucherinnen und Besucher u.a. ein Zitat mitgenommen, das schlaglichtartig die mögliche Zukunft der Menschheit beleuchtet, wenn nicht drastisch neu gedacht wird: Wie es ein Report der Vereinten Nationen vor drei Jahren bündig zusammengefasst hat: „The rich will live a bit less comfortable. The poor will die...“
[Die Reichen werden ein bisschen weniger angenehm leben. Die Armen werden sterben.]

>Dr. Till Bastian: Überleben im Treibhaus


Weitere Texte zur Tagung:
>Ingrid Schittich: Begrüßung und Eröffnung der Tagung
>Grußwort des designierten Präsidenten des Dachverbandes  (englisch)
>Ingrid Schittich: Nachgespürt. Anmerkungen zur Tagung

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.